Organisierte Kriminalität in Osteuropa - und wie deutsche Großspediteure davon profitieren.

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Der rumänische Spediteur Frank Meinhard packt aus.

Frank Meinhard ist ein skrupelloser Geschäftsmann mit reichlich krimineller Energie. Das Projekt des dubiosen Unternehmers: osteuropäische Fahrer mit Sozialdumping in Deutschland ausbeuten. Dafür sollen Unterlagen und Dokumente gefälscht sowie die Aufzeichnungsgeräte in Lkw manipuliert werden. Zu diesem Zweck „gründet“ Frank Meinhard ein Transportunternehmen, die „Trans Gloria Freight“ (TGF) in Bukarest. Aufgrund von Inseraten, in denen die TGF Fahrer, Disponenten und Manager sucht, melden sich zahlreiche Insider, die in den Vorstellungsgesprächen offen von ihren Erfahrungen und Insiderkenntnissen erzählen. Aber auch andere „Interessierte“ suchen den Kontakt zu dem Deutschen. Frank Meinhard wird schnell zum geschätzten Gesprächspartner der organisierten Kriminalität in der Millionenmetropole Bukarest. Nach wenigen Tagen hat Frank Meinhard wichtige Kontakte zu Kriminellen, die digitale Tachos manipulieren, Lkw-Elektronik außer Gefecht setzen, „Urkunden“ besorgen und Fahrer vermitteln können. Auch offizielle Stellen und Rechtsanwälte bieten Unterstützung an und offenbaren Erstaunliches.

Die Aufträge für sein Desperado-Unternehmen sollen künftig von deutschen Logistik-Unternehmen kommen. Insider versichern dem Unternehmer, dass Großspediteure aus Westeuropa fast jedes rumänische Unternehmen beauftragen, wenn nur der Preis stimmt. Für rumänische Unternehmen sind nach Aussagen der Disponenten Aufträge aus Westeuropa der wesentliche Erfolgsfaktor der boomenden osteuropäischen Transportwirtschaft. Was keiner merkt: Bei zahlreichen Kontakten laufen verdeckte Kameras mit, die Gesprächsinhalte werden penibel dokumentiert. Frank Meinhard packt aus..

Was bringt Frank Meinhard dazu, sein Insiderwissen jetzt offenzulegen? Frank Meinhard heißt in Wirklichkeit Andreas Mossyrsch und ist Vorstand von Camion Pro e.V., einem Berufsverband für die Transportbranche, der seit Jahren gegen Sozialdumping kämpft. Andreas Mossyrsch hat als Frank Meinhard monatelang in Deutschland und in Rumänien, als Geschäftsführer seines erfundenen „Unternehmens“ „Trans Gloria Freight“, in den Niederungen der Transportbranche recherchiert

Dabei hat er Geschäftskontakte geknüpft und Verhältnisse aufgedeckt, die man vielleicht in Lateinamerika oder Bangladesch vermutet hätte. Der Name Frank Meinhard ist erfunden, die Geschichten sind real, und sie spielen sich täglich zehntausendfach ab - nicht in Lateinamerika, nicht in Bangladesch, sondern auf unseren Autobahnen, Landstraßen und an den Laderampen der Einzelhandelsketten, bei denen wir für das Wochenende einkaufen.

SAT 1 bringt am Dienstag, 2.2.2016, in  „Akte 2016“ Ausschnitte aus dem 16-stündigen Filmdokument, das Andreas Mossyrsch in den letzten Monaten erstellt hat.


Die Geschichte von Frank Meinhard


Andreas Mossyrsch „gründet“ im November 2015 mit dem falschen Namen „Frank Meinhard“ die Trans Gloria Freight - internationale Transporte, ein angeblich rumänisches „Transportunternehmen“ mit Sitz in Bukarest. Die Firma ist in keinem Handelsregister oder Gewerbeamt registriert, genauso wenig hat Andreas Mossyrsch natürlich Ausweisdokumente auf den frei erfundenen Namen „Frank Meinhard“.

Geschäftsitz in Bukarest:

Trotzdem gelingt es der „Trans Gloria Freight“ (TGF) mit Hilfe einer dubiosen Agentur mit Sitz in der Schweiz und in Irland, Büroräume in Bukarest anzumieten. Die Agentur schaltet für das „Transportunternehmen“ eine eigene Telefonnummer und Mail-Adresse. Auch das Schalten der Stelleninserate in einem renommierten rumänischen Internet-Job-Portal wird von dem Büro-Dienstleister übernommen. Anrufer werden in Rumänisch, im Namen der virtuellen Firma begrüßt und für Frank Meinhard Vorstellungstermine vereinbart.

Das Büro in München:

Um auch an deutsche Kunden zu kommen, gründet die TGF eine Repräsentanz in einem der  besten Münchener Geschäftsviertel. Auch hier hilft ein Büroservice und kümmert sich in der bayerischen Landeshauptstadt um die eingehende Post. Ein Festnetzanschluss gehört ebenso wie eine Faxnummer zur „Grundausstattung“. Eine freundliche Mitarbeiterin des Dienstleistungsunternehmens nimmt alle eingehenden Anrufe mit „Trans Gloria Freight, mein Name ist... Was kann ich für Sie tun?“ entgegen und leitet diese ebenso wie die Tagespost und eingehende Faxe per Mail an den Geschäftsführer Frank Meinhard weiter.

In Rumänien angekommen, checkt der deutsche „Unternehmer“ unter seinem falschen Namen in einem 5-Sterne-Hotel ein. Danach kauft „Frank“ Telefonkarten, ohne sich dabei ausweisen zu müssen. Nun ist Frank Meinhard auch immer per Handy zu erreichen, ohne jemals seine Identität preisgeben zu müssen.

Niemand zweifelt offenbar an der makellosen Fassade eines anscheinend international tätigen Unternehmens mit Büros in zwei europäischen Großstädten, mit Festnetz-, Fax- und Handynummern und freundlichen Sekretärinnen, die die Gespräche entgegennehmen. Niemand scheint zu merken, dass sich dessen Inhaber nie ausgewiesen hat!

Sozialdumping als Standortvorteil?  

Die Deutsch-Rumänische Industrie- und Handelskammer berät Frank Meinhard in ihren Räumen in Bukarest über die ungeahnten Möglichkeiten des Standorts Rumänien und die laxen Vorschriften und Rahmenbedingungen, die ein Unternehmen in dem neuen EU-Mitgliedsstaat erwarten. Zum Schluss gibt es nicht nur bündelweise Infomaterial, sondern auch Adressen von Dolmetschern. Schon am nächsten Tag erfährt Frank Meinhard von einer freundlichen Rechtsanwältin in akzentfreiem Deutsch, dass in Rumänien Arbeitnehmer zu Bedingungen beschäftigt werden, die jedem Arbeitgeber in Deutschland eine Freiheitsstrafe einbringen würde, die schwerlich noch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte.

Diese Tipps lässt Meinhard dann auch in die Vorstellungsgespräche mit Fahrern und Disponenten in den nächsten Tagen einfließen. Frank Meinhard konfrontiert die Arbeitsuchenden mit den Bedingungen in seinem Unternehmen.    

„Frühkapitalismus? Find ich gut!“ Wie Fahrer und Disponenten haarsträubende Geschäftsmodelle bewerten.

Die „Trans Gloria Freight“ bezahlt ihren Fahrern weder Lohn im Krankheitsfall noch Urlaub oder eine richtige Rentenversicherung. Fast das gesamte Einkommen der Fahrer wird steuer- und sozialversicherungsfrei bezahlt. Die Lkw-Fahrer müssen auf auf KM-Basis fahren. D. h., wenn der Lkw nicht rollt - egal ob Auftragsmangel, Stau, Streik oder technischer Defekt -, bekommen die Fahrer keinen Cent. So wälzt Frank Meinhard das gesamte unternehmerische Risiko auf die Fahrer ab und übernimmt keinerlei soziale Verantwortung. Fahrer, die berufsunfähig werden oder Rente beantragen müssen, sind somit ein Fall für das rumänische Sozialamt. Allein bei Problemen mit der Polizei können die Mitarbeiter auf ihren Chef zählen. Die Trans Gloria übernimmt in diesem Fall nicht nur die Strafen, sondern zahlt auch die Honorare für die Rechtsanwälte. Die Lkw-Fahrer müssen dafür in Deutschland bis zum „Umfallen“ arbeiten und leben monatelang in ihren Lkw-Kabinen. Damit die deutschen Behörden bei Lkw-Kontrollen die Straftaten nicht nachweisen können, müssen die digitalen Tachos manipuliert und verschiedene Urkunden gefälscht werden.

Weder die eingeladenen Lkw-Fahrer noch die Disponenten haben an diesen Bedingungen etwas auszusetzen. Nach ihrer Meinung gefragt, entgegnen diese, dass „das ja normal sei“ oder: „Ja, ist o.k.". Die meisten Bewerber wollen wissen, wann sie anfangen können, und bieten an, auch andere Fahrer zu diesen Bedingungen anwerben zu wollen. Auch der Dolmetscher findet das wohl ganz normal und bietet an, weitere Kontakte herstellen zu können.

Schriftlicher Kostenvoranschlag für Tachomanipulationen

So erhält Frank Meinhard auch problemlos die notwendigen „Geschäftskontakte“ zu lichtscheuen Elementen. In dem südosteuropäischen Land wird Frank Meinhard so schnell zum geschätzten Gesprächspartner des organisierten Verbrechens. Innerhalb weniger Tage hat er „Geschäftspartner“, die digitale Tachos und Lkw-Elektronik manipulieren. Sogar ein schriftliches Angebot über die Tacho-Manipulationen erhält Frank Meinhard.

„Bei uns geht kein Fahrer auf die BKF-Fortbildungen“!

Andere Kontakpersonen versichern ihm, dass in Rumänien kaum ein Lkw-Fahrer an einer Berufskraftfahrerfortbildung teilnimmt.  Die Urkunden werden in Rumänien von einigen Fahrschulen gegen entsprechende Bezahlung ausgestellt. Erscheinen müsse der Fahrer bestenfalls zur „Erstschulung“; danach werden die Bescheinigungen „verlängert“. Einige der „Kontakte“ bieten Frank Meinhard an, gegen Provision Fahrer zu den beschriebenen Bedingungen anzuwerben, die in diesen höchst gefährlichen und menschenunwürdigen Verhältnissen arbeiten.

Die  neuen „Freunde“ von Frank  Meinhard berichten ausführlich über alle Insider-Tricks und darüber, wie viele Speditionen in Rumänien, unbehelligt vom rumänischen Staat und von den deutschen Ermittlungsbehörden, in Deutschland agieren. Die geschilderten Verhältnisse legen den Verdacht nahe, dass Sozialversicherungsbetrug, Zoll- und Steuerstraftaten in industriellem Ausmaß begangen werden. Dass diese Gespräche größtenteils mit versteckter Kamera aufgezeichnet werden, ahnt keiner der Akteure.

„Auftraggeber sitzen in Deutschland“

Insider hoffen auf gute Geschäfte mit dem deutschen Geschäftsmann und berichten dem Desperado-Unternehmer, dass rumänische Transportunternehmen fast ausschließlich ihre Aufträge von Die internationalen Speditionskonzernen in Deutschland und Westeuropa bekommen. Die deutschen und westeuropäischen Unternehmen beschäftigen meist kaum eigene Fahrer in Osteuropa, sind also nicht selbst an den Manipulationen oder fragwürdigen Arbeitsverhältnissen beteiligt. Sie profitieren aber von den Wettbewerbsvorteilen, die durch dieses Sozialdumping entstehen, zur Abwicklung ihrer eigenen Aufträge.

Wie leicht man als osteuropäischer Spediteur offenbar von  großen deutschen Speditionen Auftrage erhält, davon kann sich Frank Meinhard schnell selbst überzeugen. Tatsächlich stellen deutsche Logistik-Unternehmen der fragwürdigen Trans Gloria Freight schon bei den ersten Telefonanrufen eine Zusammenarbeit in Aussicht. Auflagen werden kaum gemacht oder erstrecken sich auf Formalien wie Gewerbeanmeldung und Umsatzsteuer-ID-Nummer. Selbst die korrekte Bezahlung des deutschen Mindestlohns interessiert kaum ein Logistikunternehmen wirklich.

Die ganze Geschichte von Frank Meinhard erfahren Sie in den nächsten Wochen hier.

Wie man für 48,-€ in Rumänien einen Konzern gründet.

Die Informanten von Frank Meinhard versichern, dass die meisten Transportunternehmen in Rumänien kaum Lohnsteuer und Sozialabgaben bezahlen. Wie das geht und welche verblüffenden Erklärungen Juristen und offizielle rumänische Stellen dafür haben.

Wie die Informanten von Frank Meinhard den deutschen Mindestlohn umgangen haben.

Wie ein Teil der deutschen Logistiker von der Wirtschaftszuhälterei profitiert und wie sie damit die organisierte Kriminalität in Osteruropa fördern!

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Warum in Rumänien offenbar die Politik wenig Interesse hat, die Verhältnisse zu ändern.

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